Publikationen & Kritik

„Vorausgeworfener Schatten“

Leseprobe

Die Gedichte stellen Fragen nach der menschlichen Existenz: Eine Suchbewegung nach möglichem Sinn, Vergewisserung. Jenseits des gerade Gängigen, aber doch ganz in der Gegenwart sprechen ihre poetischen Stücke so sensibel wie zupackend vom ‚vorausgeworfenen Schatten’, also von der befristeten Spanne Leben, von der Melancholie, vom Zweifel. Aber dann auch wieder vom Wagnis, vom immer neuen Aufbruch.

 

 

 

 

 

 

 „An den Landschaften, die sie beschreibt, hat sie das Hintergründige, an den Menschen, denen sie sich zuwandte, Metaphysisches sichtbar gemacht. […] Ihre Sprache trägt gleich einem klaren Strom die Verse […]. In dem großen achtteiligen Textzyklus ‚Tagwerk‘, geschrieben anläßlich des 1125-jährigen Jubiläums eines Klosters, hat sie Geistliches und Weltliches, Geschichte und Gegenwart mit sicherer Hand zu poetischen Girlanden gebunden. Über die ‚Stufen der Demut‘ – ein Zitat der Benediktinerregel – betritt man ‚in leichten Sandalen‘ ein kleines Welttheater. Locker handhabt sie Pentameter und Hexameter und weiß den altehrwürdigen Versmaßen jede Patina zu nehmen. Verständlichkeit und Lockerheit sind Grundzüge von Tina Strohekers Sprache. Ihre Verse bauen eine Gegenwelt zu den Verbissenheiten der Gegenwart, lassen Poesie wieder zu einem Element notwendiger Nachdenklichkeit werden.“

(Walter Neumann, „Leichte Sandalen“. In: Stuttgarter Zeitung, 14. 11. 2001)

 

 

 „Sie hatte von Anfang an und hat noch immer eine ganz eigene und weiterhin mehr versprechende, überzeugende Stimme: klar und still, nie schrill, bescheiden, stets ohne Besserwisserei […]. Wie kleine, schwarz-weiße Zeichnungen, wie Skizzen eines Meisters, kommen die Gedichte daher. […] Stilleben sind Stil-Leben, aber auch stilles Leben in den poetischen Kunstwerken in diesem Buch.“

(Karlhans Frank, „Klar und still und niemals schrill“. In: Eßlinger Zeitung, 2./ 3. 2.2002)

 

 

 „Bei Tina Stroheker ist die Methode ausschlaggebender als das Sujet oder die emotionale Antriebskraft. Bezeichnenderweise heißt es bereits im dritten Text ihres Bandes: ‚die Wände sind nichts als Wörter/ die aus einem Buch fielen …’. Diese Aussage ist ebenso beredt wie die Tatsache, daß der Sammlung Tina Strohekers ein Motto Paul Valérys voransteht, des Prototyps aller modernen Gedankenlyriker. […] Es ist wohl so, daß bei Lyrikern, die primär von der Sprache zu den Erscheinungen gehen, eine Hemmschwelle vorhanden ist, die erst überschritten (überlistet?) werden muß, bevor die Gefühle sich frei entfalten können und der Bekenntnisdrang ein Schlupfloch ins Offene findet. Linguale Zerebralität also als Riegel vor zu viel scheuer Sensibilität? Es gibt viele Verse, die diese Vermutung zu bestätigen scheinen.“

(Hans-Jürgen Heise, „Sprachbilder und Kantabilität der Gedanken.“ In: Der Literat, Berlin, 7/2001)

 

 

 „Eine Grundkonstante dieser Texte bildet die Auseinandersetzung, der Dialog mit anderen Autoren, ganz bewusst gesetzt – nicht als Bildungsgut, sondern als Zeichen, dass der Literaturbetrieb sich durchaus noch als literarisches Leben definieren lassen kann. In Zeiten, in denen, betrachtet man nur die Verkaufszahlen, selbst die Lyriker die Texte ihrer Kollegen nicht mehr zu lesen scheinen, mutet eine solche Haltung wohltuend konservativ an. […] Auch das Nachdenken über das eigene Tun, über das, was die Wörter noch vermögen, spielt eine zentrale Rolle in diesen Gedichten.“

(Gerd Kolter, „Vorausgeworfener Schatten“. In: Ostragehege, Dresden, 25-1/ 2002)

 

 

 „Einer der schönsten Texte ist das Gedicht ‚Früher fuhren hier Züge‘. Beim Gang über die Schwellen des stillgelegten Gleises rückt die Natur nah und entfernt sich der Lärm der Straße. Die Gehenden vertiefen sich in Gespräche. Aber immer wieder ertappen sie sich, als könnte doch noch ein Zug kommen, bei einem Blick über die Schulter. Das Bild der Rückschauenden weitet sich zum Bild für den lyrischen Dichter. Seiner Erinnerung entfällt nichts, das Vergangene klinkt sich als das Wieder-Mögliche in die Gegenwart ein.“

(Walter Hinck, „Durch die Schule der Niederlagen“. In: Die Horen, Bremerhaven 47, 2002)

Zurück